FAQ

Häufig gestellte Fragen:

1 Was ist die rechtliche Grundlage eurer Rettungsaktionen?

Rechtliche Grundlage für die Rettungsaktionen auf dem Mittelmeer ist das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982: “Jeder Staat verpflichtet den Kapitän eines seine Flagge führenden Schiffes, soweit der Kapitän ohne ernste Gefährdung des Schiffes, der Besatzung oder der Fahrgäste dazu imstande ist, jeder Person, die auf See in Lebensgefahr angetroffen wird, Hilfe zu leisten.“¹

2 Wen rettet ihr?

Wir retten Menschen, die auf dem Mittelmeer in Seenot geraten. Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person (vgl. AEMR Art. 3). Hier einen Unterschied zu machen wäre ein Verstoß gegen das in den Menschenrechten verankerte Verbot der Diskriminierung.²

3 Wie rettet ihr die Menschen?

Die Koordination der Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer übernimmt das Maritime Rescue Coordination Centre in Rom. Sie informieren uns über einen Seenotfall in unserer Nähe oder wir informieren unsererseits, sollten wir Menschen in Seenot per Fernglas entdecken. Anschließend nähern wir uns mit unserem Beiboot dem betroffenen Boot und verteilen Rettungswesten an alle. Wir klären ab, wie viele medizinische Notfälle, Kinder und schwangere Frauen sich auf dem Boot befinden, da diese zuerst gerettet werden. Dann holen wir die Geretteten zu uns an Bord und kümmern uns um die medizinische Erstversorgung, sowie die Versorgung mit Trinkwasser und Essen.

4 Wo ist euer Schiff im Einsatz?

Unser Schiff patrouilliert auf dem Mittelmeer zwischen Libyen und Italien. Dieser Seeweg wird als zentrale Mittelmeerroute beschrieben, über die Menschen auf der Flucht versuchen nach Europa zu gelangen. Die meisten Rettungen finden innerhalb der 24-Meilenzone (außerhalb des libyschen Hoheitsgewässers) statt.

5 Woher kommen die Menschen, die über die zentrale Mittelmeerroute flüchten?

2016 kamen laut IOM die meisten Flüchtenden auf dieser Route aus Nigeria, Eritrea und Guinea.³

6 Wohin bringt ihr die Menschen nach der Rettung?

Wir bleiben während einer Mission durchgehend im Einsatzgebiet und übernehmen nicht den Transfer der Geretteten. Auf Anweisung des Maritime Rescue Coordination Centre Rom und in Absprachen mit anderen Akteur_innen im Einsatzgebiet geben wir die Geretteten nach einiger Zeit an ein größeres Schiff ab, das dann nach Italien fährt.

7 Warum übernehmt ihr die Rettung?

2016 ertranken 5098 Menschen Mittelmeer, davon 4581 auf der zentralen Mittelmeeroute. Seit dem Ende von Mare Nostrum 2014 gibt es kein umfassendes staatliches Seenotrettungsprogramm mehr. Stattdessen setzt die EU mit der Frontex-Mission Triton und der Militäroperation Sophia auf Abschottung durch Sicherung der europäischen Außengrenzen. Damit wird die humanitäre Aufgabe der Seenotrettung verkannt. Wir wollen nicht tatenlos zusehen, wie Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken und sehen uns aufgrund fehlender staatlicher Rettungsstrukturen gezwungen, die Aufgabe der Seenotrettung selber zu übernehmen.

8 Was ist Mare Nostrum?

Mare Nostrum war die staatliche Seenotrettungsoperation Italiens, die durch die italienische Marine umgesetzt wurde. Sie wurde im Oktober 2013 als Reaktion auf das Schiffsunglück vor der italienischen Insel Lampedusa ins Leben gerufen, bei dem 360 Menschen aus Somalia und Eritrea starben. In nur einem Jahr konnten durch diese Operation 130.000 Menschen aus Seenot gerettet werden. Die Rettungsaktionen fanden auch im libyschen Gewässer statt. Aufgrund der fehlenden finanziellen Unterstützung durch andere europäische Staaten, stellte die italienische Regierung das monatlich 9 Millionen Euro kostende Hilfsprogramm ein Jahr später wieder ein.

9 Was ist Frontex?

Frontex ist die europäische Grenzschutzagentur mit Sitz in Warschau, deren Aufgabe die Koordination der Operationen an den EU- Außengrenzen ist. Ein wichtiges Ziel der Agentur ist die Bekämpfung der “illegalen” (irregulären) Einwanderung über die EU-Außengrenzen.

10 Was ist Triton?

Triton ist die seit November 2014 laufende Frontex-Operation zur Grenzsicherung vor der italienischen Küste. Mit einem Drittel des für Mare Nostrum eingesetzten Budgets (3 Millionen), wurde vordergründig in Einsätze nah der italienischen Küste investiert. Schwerpunkt der Operation ist die Kontrolle der europäischen Außengrenzen. Im April 2015 wurde nach einer erneuten Katastrophe im Mittelmeer das Triton-Budget auf 9 Millonen Euro monatlich angehoben und das Einsatzgebiet ausgeweitet. Der Auftrag der Grenzsicherung bleibt bestehen.

11 Was ist EUNAFOR Med/ Sophia?

Im Frühjahr 2015 beschloss die EU bei einem Sondertreffen die Operation “Sophia”. Ziel dieser Operation ist es, die Schleppernetzwerke aufzudecken und zu zerstören. „Grundsätzlich sieht der Operationsplan vor, in einer zweiten Phase die Boote von Schleppern zu suchen, aufzubringen und zu beschlagnahmen. In der dritten Phase sollen alle notwendigen Maßnahmen gegen Boote und Einrichtungen ergriffen werden, die von Schleppern genutzt werden, auch auf fremdem Territorium.“ Nach wie vor gibt es kein reines Seenotrettungsprogramm der EU.

12 Inwiefern beteiligt sich Deutschland an den Rettungen auf dem Mittelmeer?

Deutschland schickte im Mai 2015 zwei Marineschiffe mit dem Auftrag der Seenotrettung auf das Mittelmeer. Seit dem 30. Juni gehören beide Schiffe zur EU-Mission EUNAVFOR Med und sind nun ausdrücklich nicht mehr „nur“ zur Rettung von Menschen in Seenot, sondern vor allem zur gezielten Bekämpfung von Schleppern eingesetzt.

13 Unterstützt ihr nicht die Geschäfte der Schlepper mit eurer Aktion?

Der Notstand, der auf dem Mittelmeer herrscht, wird gerne auf die sogenannten Schleppernetzwerke zurückgeführt. Aber die Menschen fliehen nicht, weil es Schlepper gibt, sondern es gibt Schlepper, weil Menschen fliehen müssen. Sie fliehen vor Krieg, Gewalt und Repressionen. Und da es keine legalen Einreisewege gibt, vertrauen sie Schleppernetzwerken ihr Leben an. In kriminellen Strukturen entsteht so ein lukratives Geschäft mit der Verzweiflung. Wie groß muss die Not eines Menschen sein, wenn er sich in einem winzigen Schlauchboot aufs Mittelmeer begibt? Von diesem Geschäft profitieren Schlepper unabhängig von jeglichen Rettungsaktionen. Wir sind davon überzeugt, dass nur legale Einreisemöglichkeiten nach Europa eine humane Veränderung der Situation leisten können. Solange der Status Quo jedoch besteht, werden wir weiter vor Ort Seenotrettung betreiben. Denn es gibt keine Rechtfertigung dafür, politische Debatten über Menschenleben zu stellen.

15 Warum ist der Jugend-Aspekt bei euch so wichtig?

Wir zeigen durch das Projekt, dass junge Leute auch ohne großen Dachverband im Hintergrund etwas bewegen können. Wir sprechen dazu vordergründig, aber nicht ausschließlich, junge Erwachsene an, da ihr Potential die großen Probleme dieser Welt zu lösen oft unterschätzt werden. Außerdem stärkt uns der Jugend-Aspekt bei unserer politischen Forderung: Wenn sogar wir jungen Leute es schaffen, ein Schiff aus eigener Kraft zu stemmen, warum schafft es dann die deutsche Bundesregierung nicht auch?

16 Warum ist für euch in dieser Zeit ein Schiff für das Mittelmeer das Wichtigste?

Das Mittelmeer ist zum Symbol der europäischen Abschottungspolitik geworden: Obwohl täglich Menschen auf dem Mittelmeer in Not geraten, gibt es kein staatliches Rettungsprogramm. Der Fokus liegt stattdessen auf der Grenzsicherung und dem Aufdecken der Schleppernetzwerke. Unser Schiff ist ein klares Zeichen gegen die europäische Gleichgültigkeit gegenüber dem Sterben auf dem Mittelmeer. Das Recht auf Leben und Sicherheit gilt für alle, überall.

17 Warum akzeptieren wir nur private Spenden?

Es ist unsere Überzeugung, dass das massenhafte Sterben auf dem Mittelmeer politische Ursachen hat und somit auch nur politisch gelöst werden kann. Verantwortliche Akteure sind daher staatliche – nicht private. Wir helfen akut dort, wo Staaten ihrer Verantwortung nicht nachkommen. Gleichzeitig wollen wir jedoch nicht, dass diese Verantwortung an uns abgegeben wird. Sie selbst sollen das Sterben beenden.

Dazu gehört für uns, dass Staaten ihre Gelder direkt selbst in Lösungen investieren, statt private Organisationen wie uns fördern. Gleichzeitig bleiben wir dadurch unabhängig. Als einzige Möglichkeit der Finanzierung bleibt uns daher die Unterstützung durch private Spenden.


1

Eine wörtlichere Übersetzung würde von "der Gefahr auf See verloren oder verschollen zu gehen" sprechen.

2

https://www.amnesty.de/alle-30-artikel-der-allgemeinen-erklaerung-der-menschenrechte#artikelrechtauflebenundfreiheit

3

http://migration.iom.int/docs/MMP/170210_Mediterranean_Update.pdf

4

http://missingmigrants.iom.int/mediterranean

5

Vgl. Pro Asyl: Europas Schande: „Triton“ und „Mare Nostrum“ im Vergleich. Oktober 2014.

6

Vgl. Frontex: Legal Basis, unter: http://frontex.europa.eu/about-frontex/legal-basis/ (Stand: 15.09.15).
Vgl. Frontex: Mission and Tasks, unter: http://frontex.europa.eu/about-frontex/mission-and-tasks/ (Stand: 15.09.15).

7

Vgl. Bötel, Frank; Kietzmann, Victoria: Leben retten, Schleuser bekämpfen: Neuer EU-Einsatz im Mittelmeer. Berlin, 01.07.2015.

8

Vgl. Bötel, Frank; Kietzmann, Victoria: Leben retten, Schleuser bekämpfen: Neuer EU-Einsatz im Mittelmeer. Berlin, 01.07.2015.